Es war ihr letzter Urlaubstag in Marokko und bevor es am nächsten Tag wieder nach hause gehen sollte, wollten sie noch einmal durch die kleinen Läden der Stadt schländern . Sie waren noch nicht lange zusammen. Genauer gesagt hatten sich Anja und Kai erst im Urlaub kennengelernt und ob es über einen Urlaubsflirt hinausgehen würde, war beiden noch nicht klar. So schauten sie dann leicht gelangweilt von Laden zu Laden, bis Anja auf ein Schild mit der Aufschrift 'Magic Market' aufmerksam wurde, daß in einen Hinterhof wies. Sie folgten dem Schild und betraten ein kleines verstaubtes Geschäft, hinter dessen Tresen eine für dieses Stadtviertel überraschend elegante Marokkanerin stand. Freundlich begrüßte sie die zwei und lud sie ein, sich ein wenig umzuschauen. Auf den ersten Blick schien es jedoch nur den üblichen Touristenplunder zu geben. Auch hatte Kai das Gefühl von der Verkäuferin angestarrt zu werden, was ihm ein seltsames Unbehagen bereitete. Als sie den Laden gerade wieder verlassen wollten, fiel Anjas Blick auf eine Halskette mit einem großen glitzernden Stein in seiner Fassung und blieb wie gebannt davor stehen. Da sie in München in einem Schmuckgeschäft arbeitete, wußte sie sofort, was sie da vor sich hatte.
"Wie ich sehe, interessieren Sie sich für Diamanten" sagte die Verkäuferin und kam hinter ihrem Tresen hervor. "Unglaublich dieses Schmuckstück" erwiderte Anja. "Das ist der größte Diamant, den ich je gesehen hab. Wenn ich nicht vom Fach wäre, würde ich denken, der sei ein Fälschung. Aber der ist ...unbezahlbar."
"Das kommt ganz auf den Preis an" lächelte die Marokkanerin, "mit Geld ist er tatsächlich schwer zu bezahlen, aber es gibt ja noch den guten alten Tauschhandel; und ich glaube, wir zwei könnten ins Geschäft kommen."
"Was könnte ich Ihnen schon geben?" fragte Anja verwundert.
"Nun, deinen Freund hier zum Beispiel" dabei zog sie Kai, der bis jetzt kaum zugehört hatte, in die Mitte des Raumes und betrachtete Ihn abschätzend. Anja hielt es für einen Scherz und lachte: "Ha, wie gefällt dir das Kai. In Marokko als Sklave an eine Lady verkauft zu werden?"
"Nicht als Sklave" winkte die Verkäuferin ab, "sondern als Schmuckstück. Schmuck gegen Schmuck sozusagen. Einige Frauen hier in der Gegend sind im Besitz eines alten Zaubers, der Menschen so sehr schrumpfen läßt, daß man sie als Schmuck tragen kann. Viele solcher Schmuckstücke zu haben ist seit vielen Jahrhunderten bei uns ein Zeichen großen Reichtums; viel mehr als Diamanten. In früheren Kriegen war das häufig das Schicksal der Besiegten; aber die Zeiten haben sich geändert und heute müssen wir uns unser Material auf andere Weise beschaffen."
"Sie wollen doch nicht etwa ernsthaft den Kopf meines meinen Freunds zu einem Schrumpfkopf machen" rief Anja empört. "Nein, ich spreche nicht von Schrumpfköpfen, das wurde hier nie betrieben. Nein, das spannende an unserer Methode ist, daß unser Schmuck nachher noch am leben ist. Nicht sehr angenehm für die Opfer, aber um so erregender für uns."
"So ein Quatsch. Und wie soll das ablaufen?" meldete sich Kai grinsend zu Wort. "Im Nebenraum befindet sich ein Altar, der einer alten Gottheit geweiht ist. Jeder, der diesen berührt, schrumpft auf die Größe einer Fingerpuppe" erklärte sie.
"Soll das also heißen, wenn ich Ihren Altar berühre, überlassen sie meiner Freundin die Halskette mit dem Diamanten" forderte Kai sie heraus. Er rechnete zwar nicht ernsthaft damit, das sie wirklich so abergläubisch sei, um sich auf so einen Handel einzulassen, aber wenn es klappt, dachte er, wäre das ein schönes Geschenk für seine neue Freundin.
"Nur unter der Bedingung, das Du, nachdem Du geschrumpft bist, mir gehörst." entgegnete sie schmunzelnd, "Abgemacht?"